Die flackernde Flamme

Es war wieder mal soweit. Die Wichtel arbeiteten auf Hochtouren, denn Weihnachten stand vor der Tür. Elvin durfte das erst Mal mithelfen. Aber sein Interesse war nicht wirklich groß. Viel lieber wollte er draußen im Schnee spielen und Schabernack treiben.

„Na komm schon Elvin. Zieh doch nicht so ein Gesicht. Du hast doch so eine tolle Aufgabe“, sagte ein älterer Wichtel mit einer blauen Mütze. „Ich muss den ganzen Tag Kerzen ziehen. Und wofür? Damit die Menschen sie anzünden und einfach abbrennen lassen, und dann zünden sie einfach die Nächste und die Nächste und die Nächste an.“ Elvin verschränkte seine Arme vor der Brust und schaute grimmig auf den Boden. „Aber weißt du denn nicht, dass diese Kerzen etwas ganz besonderes sind? Sie verbergen ein ganz besonderes Geheimnis.“ sagte der ältere Wichtel und lächelte Elvin an. „Ach so? Was soll das denn bitte sein?“ fragte er. „Irgendwann wirst du es herausfinden. Ich werde es dir nicht verraten. Sonst wäre es ja kein Geheimnis mehr.“ Der Wichtel mit der blauen Mütze drehte sich um und arbeitete weiter.

Elvin war verwirrt und an diesem Abend ließ ihn das, was der ältere Wichtel gesagt hatte, nicht mehr los. Lange lag er noch wach, bis er einschlief und einen ganz besonderen Traum hatte. Es war so, als wäre er bei den Menschen in ihren Häuser. Und ohne das sie etwas davon mitbekamen, konnte er alles beobachte. So sah er auch wie sie seine Kerzen auf den Tisch stellten. Manchmal in einem Gesteck oder Kranz, manchmal in wunderschönen Kerzenhaltern oder einfach so auf dem Kaminsims. Achtsam zündeten sie die Kerzen an und löschten die Lampen, sodass der ganze Raum in einem warmen Kerzenschein erhellt wurde. Ein ganz besonderes Gefühl kam in Elvin auf. Mit jedem flackern der Flamme wurde dieses Gefühl stärker. Es war Wärme, Ruhe, Besinnlichkeit, Feierlichkeit, Liebe, Hoffnung und noch so vieles mehr. Da erkannte er was der Wichtel mit der blauen Mütze meinte, als er von einem Geheimnis sprach. Das Flackern der Flammen schenkte den Menschen das Gefühl von Weihnachten.

Als Elvin am nächsten Tag wieder zum Kerzenziehen ging, war er bester Laune und freute sich darauf den Menschen mit seinen Kerzen ein so tolles Gefühl vermitteln zu können. „Ich sehe schon,“ sagte der ältere Wichtel, „du hast das Geheimnis herausgefunden.“ „Ja“ sagte Elvin und strahlte übers ganze Gesicht. Von nun an, war es für Elvin etwas ganz besonders diese Kerzen herzustellen. Denn er wusste, was für ein besonderes Geschenk er den Menschen damit machen konnte.

Zünde dir eine Kerze an und lösche die Lampen. Beobachte das flackern der Flamme und fühle Weihnachten. Ich wünsche dir ein frohes Fest und besinnliche Stunden im Kerzenschein.

Eine Kurzgeschichte von Anja Henrichsmann 24.12.2022